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Es fing an mit einer Entdeckungsreise Shani Dilukas nach Wien, auf ihrer Suche nach dem „Element des Wienerischen“ bei Franz Schubert und der gesamten Wiener Klassik.

Wir tanzten Walzer, ich gab ihr Tänze von Schubert und Beethoven zu spielen und von anderen Zeitgenossen des Wiener Biedermeier. (Gar manche von diesen wären heute noch bekannt, hätte es eben nicht jene großen gegeben!) Wir gingen zum Heurigen in den Weinbergen um Wien und hörten dort Wiener Lieder.

Es entwickelte sich eine musikalische Freundschaft und so entstand der Plan, das Gesamtwerk Beethovens für Cello und Klavier auf CD aufzunehmen.

Ein Traum für einen Cellisten, der sich ein Berufsleben lang mit Beethovens Streichquartetten beschäftigt hat, nun diese andere Facette des Giganten zu erforschen.

Ein interessanter Austausch zwischen Pianistin und Quartettcellist ergibt sich. Bei Fragen der Interpretation gibt mir Shani oft mögliche Antworten aus der Sicht des Pianisten Beethoven, aus dem riesigen Repertoire für Klavier. Sie kann immer wieder Querverbindungen herstellen. Ich wiederum bin geneigt, musikalische Abläufe in der Partitur mit den Augen des Quartettspielers zu sehen: Wie zum Beispiel die linke Hand des Pianisten gleichsam die Funktion des Cellos im Quartett übernimmt und gemeinsam mit den Harmonie bestimmenden „Mittelstimmen“ die Melodiestimme (1. Geige) klanglich und rhythmisch „tragen“ kann. Ein inspirierendes Bild für die Pianistin. Mit einem Mal wird das Klavierspiel mehrdimensional.

Artikulationsanweisungen wie Legatobögen, Punkte, Keile können jeweils aus der Sicht des Anderen sinnfälliger werden.

Beethoven ist der Erste, der sich der klassischen Sonatenform für die Formation von Cello und Klavier bedient. Mozart und Haydn „enthielten sich der Stimme“, und die Komponisten der Barockzeit oder Frühklassik schrieben meist Sonaten für Cello und Basso Continuo. Die Cellosonaten Beethovens scheinen persönlicher – intimer als die Violin – oder Klaviersonaten, wohl auch weniger leicht zugänglich. Vielleicht war das Cello auch das Medium, mit dem Beethoven eine ganz besondere Seite seines Wesens ausdrücken konnte. Immerhin schreibt ein zeitgenössischer Rezensent über die beiden Sonaten op. 102:

Diese beyden Sonaten gehören ganz gewiss zu dem Ungewöhnlichsten und Sonderbarsten, was seit langer Zeit, nicht nur in dieser Form, sondern überhaupt, für das Pianoforte geschrieben worden ist. Alles ist hier anders, ganz anders, als man es sonst, auch sogar von diesem Meister selbst, empfangen hat."

Fast scheint es auch ein Experimentierfeld Beethovens: Das Allegro vivace der 1. Sonate (op. 5/1) steht im Spannungsfeld zwischen Haydn’scher Frühklassik und Schubert’scher Romantik am Ende der Durchführung. In der 5. Sonate (op. 102/2) geht im Kontrast zwischen tief empfundener Menschlichkeit des Adagios und mefistofelischer Dialektik des anschließenden Allegro fugato fast weiter als in der Cavatina und der Großen Fuge im Streichquartett op. 130. So wie bei den Quartetten der mittleren Schaffensperiode ist auch die 3. Sonate, op. 69, vielleicht die am vollkommendsten abgerundete Sonate. In den Variationswerken begegnen wir dem Meister der Verwandlungskunst, voll von Humor und tiefer Empfindung.

Welch ein Reichtum an Gedanken und Vorstellungskraft. Man wird ihm wohl immer nur annähernd gerecht werden.

Ein Glück, für dieses Unternehmen eine Partnerin „auf gleicher Augenhöhe“ zu haben, mit der Einigkeit in allen Grundzügen besteht.

Nicht genug damit: Shani Dilukas Ehemann, Gabriel Le Magadure ist ein hervorragender Geiger, und Mitglied des Quatuor Ebene. Eine Klaviertrio Session konnte nicht ausbleiben, die Begeisterung war dreifach. Wer weiß, was da noch auf uns zukommen mag.