Ich bin nicht mehr Schauspieler oder Träumer als jeder andere Mensch auch. Der "Künstler" hat nur das Talent – und damit die Aufgabe - mitbekommen, den Menschen die Türe zu öffnen in das Reich der Vorstellungskraft.
Alle Menschen haben die Sehnsucht und die Fähigkeit, sich in dieses Reich zu erheben - oder einzutauchen Das Reich der Masken: Tiefes Symbol dieser Sehnsucht, mit handwerklichen Mitteln eine Welt des Scheines, des nicht Fassbaren zu schaffen.
Keine "Kunst" ohne das "Können", die Materie durch Meisterschaft zu überwinden.
Wir bedienen uns der benennbaren Materie, um das nicht Benennbare sichtbar werden zu lassen. Kein Mensch hat einen Zugang zur Phantasiewelt des Kindes, wie er der Marionettenpuppe offen steht. Gefertigt aus toter Materie, ist sie imstande dem Kind seine innersten Träume zu entlocken.
Die Jahre meiner Kindheit und Jugendzeit verbrachte ich in Augsburg.Die Marionetten der Augsburger Puppenkiste übten eine tiefe Faszination auf mich aus. Unvergesslich wurde mir die Inszenierung des "Kleinen Prinz": Der Direktor spricht – vor der kleinen Bühne sitzend – die Rolle des Piloten, Antoine St. Exupery, und plötzlich tritt dann der Kleine Prinz aus seinem Planetenreich kommend zu ihm. Doppelte Kraft der Illusion…
Die Kraft der Fantasie
Später spielte ich für meine Kinder Marionettentheater und erlebte, dass der Puppenspieler nur ausübendes Organ ist und sich gar manches Mal hüten muss, dass nicht er von der selbst entfesselten Kraft der Phantasie überrollt werde.
Es war eine Inszenierung vom "Rumpelstilzchen": Als der Zwerg zum 3. Mal die Königin fragt: "Nun, Königin, wie heiße ich?" Die Spannung steigt bis zum Hals, die Königin weiß es, die Kinder wissen es, nur der Zwerg weiß nicht, daß sie alle es wissen und wiegt sich im sicheren Besitz der Königin. Die Luft zittert vor Spannung und selbst dem Puppenspieler wird es bang…
Goethes "Zauberlehrling" ruft in höchster Not: "Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht los!"
Wer das erlebt hat, versteht das Spannungsfeld zwischen Materie (die Puppe) - dem, der die Fäden zu ziehen weiß - und dem, was er dadurch auslöst: Das unnennbare, unendliche Reich des Unbewussten, dessen, was alle Menschen verbindet, das Reich der Kreativität, die Kraft in uns, die es uns ermöglicht, an Gott zu glauben.