Category Geschichten

PROQUARTET organisiert Ende Mai in Paris, Salle Gaveau, einen Festival „Schubert, vom Gesang zum Quintett“. In diesem Rahmen werde ich eine Idee realisieren, die mich schon seit Jahren beschäftigt. Viele Elemente des Liedgesanges sind in Schuberts Kammermusik allgegenwärtig. Selbstverständlich behandelt Schubert – wie jeder gute Komponist – die jeweilige Musikgattung, in der er schreibt, nach ihrer individuellen Gesetzmäßigkeit. Dennoch werden wir Schubert in seiner Kammermusik besser verstehen, wenn wir uns vom Liedgesang inspirieren lassen.

Gemeinsam mit der wunderbaren Opern – und Liedsängerin Angelika Kirchschlager werde ich eine öffentliche Masterclass abhalten. Ein Quartett wird das Streichquartett a-moll D 804 spielen. Wir wollen gemeinsam aufzeigen, dass es Kriterien der Interpretation gibt, die dem Instrumentalisten nicht immer so selbstverständlich sind wie dem Sänger: Die Spieler eines Streichinstruments beispielsmäßig sind mit der nötigen Fingerfertigkeit so sehr beschäftigt, dass sie auf den Rest ihres Körpers vergessen. Der Sänger kann ohne Einsatz seines ganzen Körpers gar nicht singen. Für den Instrumentalisten ist das Wort „Phrasierung“ oft etwas Abstraktes. Wenn der Sänger seine Sätze nicht formt, ist das Publikum sofort gestört.

Eine Pause in der Instrumentalmusik kann sehr leicht „trennend“ wirken. Was aber wenn wir sie wie ein Komma oder einen Gedankenstrich behandeln? Was bedeutet für den Sänger das Atemholen? Sollte dieses lebenswichtige Element für den Streicher oder den Pianisten etwa nicht nötig sein? Und – nirgends so vielfältig und vielschichtig wie bei Schubert – der Akzent. Wie leicht behandelt der Streicher ein Sforzato lediglich als Ausdruck einer Aggression. Denken wir indes beim „Gretchen am Spinnrad“ an den Ausbruch: „ Und ach, sein Kuss!“ Kein halbwegs guter Sänger wird sich dieser Dramatik entziehen können, der ganzen menschlichen Tragik, die dahinter steht.

Und gerade Schuberts Musik ist in jeder Faser erfüllt von menschlichen Gefühlsbewegungen. Freilich gilt dies im Prinzip auch für viele andere Komponisten. Bei Schubert scheint es mir aber besonders sinnfällig und leicht darstellbar.