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Im Juni 1937 fand in Wien der erste internationale Wettbewerb für Violoncello statt. Der 1. Preis - dotiert mit 2000 Schilling - wurde „Herrn André Navarra“ zuerkannt. Unter den Jury-Mitgliedern finden wir Namen wie Paul Grümmer und Wolfgang Schneiderhahn...

André Navarra - damals 26 Jahre alt - sollte später zusammen mit Pierre Fournier, Maurice Gendron und Paul Tortelier die grosse französische Cellisten Tradition begründen. Neben der spanischen „Linie“ Pablo Casals und Gaspar Cassado war dies eine ganz aussergewöhnliche Ballung grosser Cello-Talente, die auch bis in die 60er Jahre das internationale Konzertleben beherrschten.

André Navarra jedoch war nicht nur ein international renommierter Cellist, er war auch der meist gefragte Lehrer seiner Generation:

Seine wichtigsten Wirkungsstätten waren das Conservatoire nat. sup. de Paris, die Musikhochschule Detmold, die Accademia Chigiana Siena - und im Jahr 1972 kam er wieder nach Wien, dem Ausgangspunkt seiner Karriere: Aufgrund der Initiative seines Schülers Tobias Kühne, inzwischen emeritierter Professor an unserer Schule, wurde ihm eine Gastprofessur verliehen, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1987 innehatte.

Ungezählte Cellisten verdanken ihm ihre berufliche Existenz. Allein unter den Professoren, die an österreichischen Musikuniversitäten unterrichten, oder unterrichtet haben, finden sich sieben seiner Schüler.

Gedenkkonzert zum 100. Geburtstag

Am 13. Oktober wäre Navarra 100 Jahre alt geworden. Die Musikuniversität Wien gedenkt seiner am 21. Oktober mit einem Konzert der Webern Sinfonietta unter Leitung von Heinrich Schiff. Solist in Dvoraks Cellokonzert ist Yan Levionnois, 21 Jahre, 1. Preisträger des internationalen „Concours André Navarra“ in Toulouse, 2008.

Philippe Muller, einst Schüler und später Nachfolger André Navarra‘s als Lehrer am Conservatoire nat. sup. de Paris, wird von 22. - 24. eine Masterclass für Cello abhalten. Am 24. findet ein Podiumsgespräch mit ihm statt über dasThema „André Navarra und die französische Cellotradition“.

Ein solches Gedenkfest kann nur zustande kommen, wenn es sich um eine Persönlichkeit handelt mit einer Ausstrahlungskraft wie André Navarra sie hatte. Für viele war er eine Vaterfigur, noch heute empfinden sich alle seine Schüler als eine grosse Familie.

Sein wichtigstes Ziel war es nicht, grosse Künstler zu produzieren, sondern vielmehr seinen Schülern das nötige Handwerkszeug zu vermitteln. Jeder sollte damit dann das Beste aus seinem Talent machen. So fühlte sich jeder Schüler bei ihm respektiert und weder über - noch unterschätzt.

Darüber hinaus jedoch vermittelte Navarra die Sicherheit: „Wenn Du meine Anweisungen befolgst,dann wirst Du Fortschritte machen“.

Sein Ideal war der „unendlich singende Bogen“ verbunden mit Virtuosität und mit einer Intensität des Klanges, der sich immer klar gegenüber dem Orchester durchsetzen soll.

Navarra hatte sich seine Spielmethode selber erarbeitet - stark inspiriert von dem Geiger Carl Flesch, den er in seiner Jugend gehört, und der ihn nachhaltig beeindruckt hatte.

Mit der ihm eigenen Überzeugungskraft gab er seine Methode an die Schüler weiter.

Seine musikalischen Ideen waren frei von eitler Selbstdarstellung. Er vermittelte dem Schüler Respekt vor der Musik, wie er ihm überhaupt eine hohe Moral dem Musikerberuf gegenüber mit auf den Weg gab. Als konzertierender Cellist beeindruckte Navarra seine Schüler natürlich auch mit seiner Fähigkeit, das gesamte Solorepertoire im Unterricht auswendig und brillant vorzuspielen: Sei es Dvorak, Schumann, Locatelli, Milhaud, Prokoffjew...

Der Gesang seines Cellos und seine positiven Energien haben uns alle, die wir seine Schüler waren, geprägt.