Ohne Generationenproblem: Valentin Erben und Shani Diluka gestalten einen packenden Cello-Klavier-Abend in der Reihe
"Meistersolisten im Isartal"
"Cellist des legendären Alban-Berg-Quartetts" war groß auf allen Plakaten angekündigt. Ja, Valentin Erben ist eine Legende. Als sich das Quartett 2008 auflöste, zog sich Erben nicht aufs Altenteil zurück, sondern suchte andere Herausforderungen und neue musikalische Partner. Am Samstag ließ sich der Meister gemeinsam mit der Pianistin Shani Diluka in Icking hören.
Für die Abonnenten und Stammgäste der Ickinger Konzerte begann der Abend mit einer Überraschung: ein neues Gesicht beim Einführungsvortrag. Maria Goeth, eine gestandene Musikwissenschaftlerin, Regisseurin und Dramaturgin, stellte sich erstmals vor das Ickinger Publikum. Locker aus dem Nähkästchen plaudernd und ohne jede oberlehrerhafte Attitüde, vermittelte Goeth nicht nur wesentliche Informationen über das Abendprogramm, sondern auch über die musikhistorischen Hintergründe. Man erfuhr, wie sich das Cello allmählich von einer subalternen Bassstimme zum selbstständigen Melodieinstrument mauserte, und wie sich dies im Schaffen von Beethoven und Co. niederschlug. Das Thema von Goeths Doktorarbeit lautete "Musik und Humor", und dies hätte auch als Motto über ihrem Vortrag stehen können. Eine echte Bereicherung der Ickinger Reihe!
Dann begann das Konzert. Äußerlich hätte der Gegensatz zwischen Cellist und Pianistin kaum größer sein können - hier der in Ehren ergraute Altmeister, dort die junge, energiesprühende Südländerin. Musikalisch aber harmonieren Erben und Diluka perfekt; ein Generationenproblem zwischen den beiden Künstlern existiert nicht. Das Programm begann mit Beethovens Variationen zu "Bei Männern, welche Liebe fühlen", einem Frühwerk, das doch schon alle klanglichen Möglichkeiten beider Instrumente auslotet. Erben glänzte mit weichem, gesanglichem Celloton, wie es dem vokalen Ursprung des Variationsthemas entspricht. Diluka brillierte mit perlenden Läufen und makellosem Anschlag. Es entstand ein ruhiges Spiel im vollkommenen Gleichgewicht beider Instrumente.
Dieser Eindruck steigerte sich noch bei Beethovens Cellosonate in A-Dur, einem Werk aus der mittleren Schaffensperiode des Komponisten. Hier gelang den beiden Künstlern vom ersten Ton an eine packende Interpretation des Werks, unaufgeregt, aber spannungsvoll. Erben und Diluka meisterten die anspruchsvolle Sonate wie selbstverständlich, ohne aufgesetzte Eigenwilligkeiten, ganz aus der Musik heraus gestaltet. Unter der äußeren Ruhe aber brodelte ein Vulkan, der sich in den energischen Passagen der Durchführung ungestüm Bahn brach, ebenso auch im Finale, wo die Künstler ein ehrgeiziges Tempo wählten und Beethovens Vivace-Vorschrift ernst nahmen.
Nach der Pause dann ein zeitgenössisches Werk: "Fadensonnen" von Johanna Doderer, nach einem Gedicht von Paul Celan. Zu Beginn las Erben Celans kurzen Vierzeiler vor, dann begann die Musik. Es spricht für das Ickinger Publikum, dass es auch solche Werke nicht nur akzeptiert, sondern mit atemloser Spannung verfolgt. Nun ist Doderer keine ausgeprägte Avantgardistin, und gerade "Fadensonnen" enthält zahlreiche tonale Inseln und melodische, ja melodiöse Passagen. Dennoch: Es ist unzweifelhaft ein Werk der Moderne, und der Gesamtaufbau entzieht sich traditionellen Formregeln. Lebhafter Beifall am Ende und Bravo-Rufe für den Mut von Erben und Diluka.
"Fadensonnen" endete mit einem e-Moll-Akkord und leitete somit nahtlos über zur ersten Cellosonate von Johannes Brahms, die ebenfalls in e-Moll steht. Weite Passagen dieser Sonate sind durch einen vollgriffigen, akkordischen Klaviersatz gekennzeichnet, so dass das Cello Gefahr läuft, unterzugehen. Hier bewährte sich einmal mehr die perfekte Symbiose zwischen Erben und Diluka. Die Pianistin spielte Brahms' Fortissimo-Vorschriften voll aus, doch niemals entartete ihr Spiel zum bloßen Tastendonner, so dass der Cellist nicht forcieren musste und trotzdem hörbar blieb. Die Schlussfuge gelang den beiden Künstlern luzide, trocken und transparent.
Die Musiker bedankten sich für den lebhaften Applaus mit einer Zugabe, "Après un rêve" von Gabriel Fauré. Hier hat das Klavier nur Begleitfunktion, und das Cello kann in Kantilenen und schmelzenden Klängen schwelgen, was Erben natürlich voll auskostete. Alles in allem war der Abend ein weiterer Höhepunkt der Ickinger Reihe, die durch ihre Qualität bald ähnlich legendär sein könnte wie weiland das Alban-Berg-Quartett.
Süddeutsche Zeitung, 08.05.2016